Homeoffice und psychische Gesundheit in Zeiten von Abstand und Isolierung
So wichtig und unumgänglich Home-Office als Mittel zur Selbstisolierung und Schutz für Kolleginnen und Kollegen in diesen Tagen ist, stellt es doch eine besondere Belastung für unsere psychische Gesundheit dar. Dies gilt vor allem, weil die für uns so wichtige Selbstbestimmung jetzt zusätzlich stark eingeschränkt ist. Wir können uns diese Arbeitsweise häufig nicht wählen, sondern müssen so verfahren. Darüber hinaus sind häufig genug von einem Tag auf den anderen alle Familienmitglieder dauerhaft zusammen, meist eine sehr gewöhnungsbedürftige Alltagssituation, die aber neben Belastung vor allem auch neue Entwicklungsmöglichkeiten mit sich bringt. Beispielsweise ergeben sich besondere Anforderungen an die Gleichstellung der Geschlechter in diesen Tagen und an die persönlichen Fähigkeiten, Grenzen zu setzen.
Aus unserem Engagement im Betrieblichen Gesundheitsmanagement wissen wir: Home-Office funktioniert dann am besten, wenn Sie sich an Ihrem Arbeitsplatz zuhause abgrenzen können von dem, was sonst im Haus geschieht. Sprich, wenn Sie sich ungestört über einen längeren Zeitraum hinweg Ihrer Arbeitstätigkeit widmen können.
Da liegen die ersten beiden aktuellen Herausforderungen: Zum einen brauchen Sie ein gewisses Maß an Selbstdisziplin und die Fähigkeit, sich Ihren Tag zu strukturieren. Das fällt vielen Menschen nicht leicht, schon gar nicht, wenn es entgegen bisheriger Gewohnheiten von jetzt auf gleich verlangt wird. Zum anderen benötigen Sie für Ihr Home-Office ein weitgehend störungsfreies Umfeld, um das gewohnte Leistungsniveau zu halten. Damit befinden sich gerade Familien derzeit in einer verzwickten Lage, da Kinderbetreuung und Home-Office nicht so ohne weiteres parallel funktionieren. So viel Abstand man zu seinem beruflichen Umfeld zur Zeit hat, so eng kann es u.U. zuhause sein. Wichtigstes Motto, so könnte man meinen, wäre in diesen Tagen: „Lassen Sie Fünfe gerade sein. Nichts muss, und alles, was geht, hilft.“
Leistung muss in diesen Tagen u.U. neu definiert werden, weil sich einige Dinge nun als nicht erfüllbare Handlungsaufträge erweisen. Spätestens bei Kindergarten- oder Krippe-Kindern im eigenen ‚Home‘ gleicht beispielsweise ein parallel laufendes Home-Office einem Kampf gegen Windmühlen. Wenn man dann von sich oder anderen Hochleistung in allen gleichzeitig anfallenden Bereichen fordert, ist das über kurz oder lang eine Gefahr für die psychische Gesundheit.
Hier helfen räumliche Abgrenzungen und klare Absprachen. Absprachen innerhalb der Familie, wer wann die Betreuung übernimmt, und auch Absprachen mit den Kindern, wann ein klares ‘nur im absoluten Notfall stören’ angebracht ist.
Die Absprachen müssen aber auch mit dem Arbeitgeber erfolgen, und da liegt ein weiterer Aspekt zur psychischen Gesundheit. Wer im Home-Office ‘verschwindet’, ist nicht mehr sichtbar. Unabhängig von der eigentlichen Arbeitsleistung herrscht in vielen Büros noch der Anwesenheitsbonus. Wer im Büro sitzt, der/die arbeitet und leistet etwas. Im Umkehrschluss bedeutet das: Wer nicht zu sehen ist, der arbeitet auch nicht. Wer nicht im Büro sitzt, dessen Arbeits- und Leistungspensum lässt sich auch schwer ermessen. Sitzt man nicht direkt daneben, dann ist es oft schwer abzuschätzen, welche Aufgabe welchen Aufwand erfordert, und oft erwarten wir in der Theorie, dass die Arbeit sehr viel schneller zu erledigen ist, als sie am Ende Zeit benötigt. ‘Heim-Arbeitende’ geraten im Zweifel also in die Falle, länger zu arbeiten als sie angeben, um den Anforderungen des Arbeitgebers Rechnung zu tragen, und den Malus der fehlenden Sichtbarkeit auszumerzen. Vorgesetzte laufen in die Falle, den Heim-Arbeitenden mangelnde Motivation und Arbeitsleistung zu unterstellen, weil sie schlicht nicht miterleben, wie die Arbeit am heimischen Schreibtisch erledigt wird.
Auch hier helfen klare Absprachen: Welche Aufgaben sind zu erledigen, zu welchem Termin? Wie ist erkennbar, ob eine Aufgabe erledigt ist? Welche Zeitfenster haben die ‘Heim-Arbeitenden’ in diesen Tagen und Wochen zur Verfügung? Für Mitarbeitende ist es sinnvoll, genau Buch über die aufgewendete Arbeitszeit zu führen. So kann man seine Arbeit nicht nur ‘nachweisen’, man initiiert auch bei den Vorgesetzen und Betroffenen einen Lerneffekt, welche Arbeiten wie lange brauchen. Gerade bei Unternehmen, die jetzt erst Home-Office etablieren, lohnt sich auch gerade in diesen Tagen ein gesundes Maß Vertrauen in die Mitarbeitenden. Es ist für alle eine Ausnahmesituation, aber man kann davon ausgehen, dass die meisten Mitarbeitenden gerne und motiviert ihre Arbeit von zuhause aus erledigen. Die ernst gemeinte Frage: ‘Was brauchen Sie noch für Ihre Arbeit?’ ist hier ein gutes Vertrauenssignal im Sinne der psychischen Gesundheit. Ebenfalls sinnvoll sind regelmäßige, geplante, virtuelle oder telefonische Zusammenkünfte, um den aktuellen Stand auszutauschen und auch um die sozial so nötigen Gespräche ‘zwischen Tür und Angel’ virtuell beizubehalten.
In diesem Sinne: Bleiben Sie gesund tätig
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